Dreisel, Vom Franz-Pittersch Anton zum Petterjes Kathrinchen

Vornamen werden in Dreisel zu Familiennamen.
Während in den Städen im allgemeinen die Menschen mit ihren wirklichen Namen, den Familiennamen, genannt werden, ist dies auf dem Lande nicht so. Hier wird der eigentliche Familienname oft nicht gebraucht, und nicht selten kommt es vor, daß man, wenn nach dem Familiennamen eines Dorfbewohners gefragt wird, sich erst besinnen muß. 
Nun hat fast jedes Dorf in der Namensbildung seine Eigenheiten. Besonders trifft dies auch für mein Heimatdorf Dreisel an der Sieg zu. Obwohl ich dort meine Kindheit verbracht habe, sind mir heute noch sämtliche Namen, die dort zu Anfang diese Jahrhunderts gebräuchlich ware, im Gedächtnis, wovon sich die ältere Generation beim Lesen dieser Zeilen überzeugen lassen.
Von den knapp 400 Einwohnern die Dreisel damals zählte, hießen mehr als 50 "amtlich" Gauchel, die sich auf 10 Familien verteilten. Der Name stammt ohne Zweifel von dem in der Nähe gelegenenen Hof Gauchel,   um die Jahrhundertwende den "vornehmeren" Namen Schöneck erhielt, als Frau Rive dort ein modernes Landhaus errichtete. Von all diesen Gauchels hieß im Volksmund nur einer tatsächlich so, nämlich der "Goochels Hennerich", ein Sohn des "Pöller (Piller?) Goochel. Eine andere Familie nannte man die "Göcheljes".  Ein Franz Gauchel hatte drei Söhne und drei Töchter, von denen die Söhne und eine Tochter (Fraus Josef Schmidt) in Dreisel verheiratet waren, während  genannt eine weitere Tochter unverheiratet blieb. Die drei Söhne wurden kuzerhand Franz-Pitter, Franz-Wilhelm, und Franz-Gerhard und die unverheiratete Tochter Franz-Dröckchen (Gertrud) genannt. Die Kinder des Franz-Pitter aber hießen Franz-Pittersch Anton, Franz-Pittersch Wilhelm usw. Franz-Wilhelm hatte nur eine Tochter, die als Kind starb, Franz-Gerhard   wurde auch "Hartes" genannt, und seine Kinder hießen: Hartes Kathrinchen usw. Weitere Gauchels waren die "Jösseps" (nach dem Familienhaupt Josef G.) bzw. "Anntrengs" (nach der Witwe Anna Katharina G.) deren Kinder der Anntrengs Jupp sowie die Anntrengs Lena und die Anntrengs Maria waren. Die acht Kinder eines zweiten Heinrich Gauchel nannte man "Pauels", weil die Mutter mit ihrem Mädchennamen Pauly hieß.
Der zweitstärkste Familienname in Dreisel war Patt, ein Name, der auch sonst im Siegkreis, z.B. in Eitorf und Siegburg vorkommt. Die sieben Familien mit Namen Patt zählten etwa 40 Köpfe, von denen etwa 15 auch im Volksmund Patt hießen, allerdings mit Beinamen wie "Patts Schohmächers", Patts Jokes (Judokus), Patts "Mienchen". Zwei Familien, deren Häupter beide Peter hießen, unterschied man als "Petterjes" und "Nettjes" (von Ernestine) also Petterjes Heinrich, Petterjes Johann, Netthjes Pitter, Nettjes Lißchen usw. Andere Patts hießen Lutz oder Priddels die wohl nach den Mädchennamen der Mütter benannt werden.
Von den vier Familien Thiel hörte nur eine auf diesen Namen, zwei waren die "Tienjes" (Tienjes Anton, Tienjes August usw.) und die letztere die "Schmies", nach dem Mädchennamen der Mutter, die aus Kölschbach bei Dattenfeld stammte. Auch von den vier Familien Gerhards hieß nur eine im Volksmund tatsächlich so, während   zwei "Hannes-Wellems" und eine "Pittersch (Peters) hießen, also Hannes-Wellems Franz, Pittersch Minna usw. Die Willmeroths kannte man nur als die "Maxjes",  und auch eine Frau Weber geb. Willmeroth war nur als "Maxjes Anne-Mariechen" bekannt. Die drei Familien Kolb wurden "Koleve" (Witwe Luise Kolb), "Kölefjes" (Peter Kolb) bzw. "Jues-Hannes" (Johann Kolb) genannt. Die Kinder des letzteren hießen dann etwa Jues-Hannes Heinrich, JuesHannes Franz usw. wobei zu bemerken ist, daß Jues = Joest = Jodukus ist.
Interessant ist, daß von den fünf Familien Kölschbach, die ursprunglich zweifellos aus der bereits genannten Ortschaft gleichen Namens stammen, ver auch im Volksmund so hießen, während die fünfte nach dem Mädchennamen der Frau, "Lenz" benannt wurde, die aus Hoppengarten zugezogen war. Auch die Beckers nannte man nach der Mutter "Hansmanns" die aber über Dreisel gebürtig war, ebenso wie die Kinder des Franz Kammerich nach seiner Mutter "Koch" hießen.
Von den dreimal vorkommenden Namen hießen die Altwickers Joest und Röhrig auch i Volksmund so, während  von den drei Familien Heiden eine nur als "Vetterjes" bekannt war. Auch die doppelt vorkommenden Namen Busch, Christgen, Koch, Ottersbach, Schmidt und Simon wurden so gerufen, wie sie tatsächlich hießen.
Blieben noch folgende verhältnismäßig viele Namen übrig, die in Dreisel damals nur einmal vorkamen, so daß ja auch kein Grund zu einer anderen Benennung gegeben war: Bestgen, Dohle, Dressler, Hermes, Hombach, Honrath, Hundenborn, Kemmerling, Links, Linz, Lütz, Manns, Rossenbach, Salz, Seifer, Speer und Weber. Lediglich die Familie Görgen war unter dem Namen "Mechels" (von Michael) bekannt und Herr Pauly als "Grittjesmann.  (=Mann der Gretchen). Wir Kinder des langjährigen Dreisler Lehrers Anton Schmitt waren, wie das ja auch anderswärts der Fall ist, einfach die "Lehrersch".  
Zusammenfassend ergibt sich, daß von den knapp 400 Einwohnern die Dreisel zu Anfang unseres Jahrhunderts hatte, mindestens die Hälfte nicht so genannt wurden, wie sie wirklich hießen. Ähnlich ist es auch heute noch,, wobei man allerdings bedenken muß, daß in jüngster Zeit gar mancher Zuzug erfolgt ist, was auch daraus hervorgeht, daß die Einwohnerzahl des Dores auf 450 gestiegen ist.

  

Autor des Textes: Heinrich Schmitt (Bocholt i. W.) Heimatblätter des RSK 1950)


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